Die Zeiten ändern sich

 

 

 

Als Mutter putzt man, weil die Kinder Spuren hinterlassen. Als Grossmutter putzt man, damit die Enkel Spuren hinterlassen können. Sie glauben das nicht?

 

Jede Woche hüte ich die kleinen Racker und freue mich stets gewaltig auf sie. Dann richte ich das Haus kindersicher her, putze alles blitzblank – fast klinisch sauber – auch die Scheiben - und dekoriere das Wohnzimmer sozusagen mit Spielsachen und Bastelmaterial bis es eher einer Warenhausauslage gleicht. Die Puppenstube stelle ich dick und breit vor den Heizkörper als Barriere, damit die Energiebündel nicht auf und um den Ofen herum turnen. Ich will meine Enkel selbstverständlich ohne jede Blessur wieder abgeben!

 

Kommt Ihnen das bekannt vor? Man holt sämtliches Spielzeug hervor, erzählt den Kindern stundenlang Geschichten. Nimmt alle Enkel auf den Schoss, die sich raufdrängen und schafft es nur knapp, aber wirklich nur knapp, sie nicht zu erdrücken, weil man das Buch auch noch irgendwie halten muss. Für die Enkel macht man alles, kocht ihre Lieblingsspeisen oder spült sogar die Teigwaren unter dem Wasser wieder ab, weil der Kleinste plötzlich aus undefinierbaren Gründen seinen Lieblingskäse doch nicht mag. Als Mutter hätte man dem Dreikäsehoch den Teller wieder zugeschoben und ihm klargemacht: iss, es gibt nichts anderes!

 

Ab in den Supermarkt. Dort geht es mit dem Einkaufswagen weiter, wir brauchen Lebensmittel. Mein Blick wandert von Gestell zu Gestell, von Reihe zu Reihe. Von wegen, im Alter schrumpft man, man wächst – mindestens zehn Zentimeter - weil man sich reckt und streckt und die Kinder sucht!

 

Die Kinder entdecken Wasserpistolen und wünschen selbstverständlich gleich welche. Meinem eigenen Sohn hatte ich stur, aber wirklich stur, sämtliche Waffen verweigert. Jetzt ertappe ich mich, wie ich eine Verpackung aus dem Gestell nehme und den Preis studiere. Die leuchtenden Kinderaugen folgen meinen Händen, natürlich kann ich die Knirpse jetzt nicht mehr enttäuschen. Darum wandert das Begehrte in den Einkaufswagen. Die Enkel danken es mir am Nachmittag mit einem fröhlichen und vor allem nassen Spiel. Wir flitzen, spritzen und kreischen bis wir klitschnass sind. Den Zvieri geniessen wir gemeinsam - wieder trocken gelegt - auf einer Picknickdecke im Wohnzimmer, kriechen auf dem Boden rum und spielen Zoo. Diese imaginären Tiere müssen selbstverständlich auch gefüttert werden. Der Nachmittag fliegt nur so dahin.

 

Die Enkel sind wieder weg, es war ein vergnügter Tag. Na, etwas müde bin ich schon - vom vielen Robben und Krabbeln! Aber welche Grossmutter würde dies schon zugeben?

 

Liebe junge Mütter und Väter. Bitte habt Verständnis, wenn die Grosseltern euren Kindern Dinge erlauben oder kaufen, die man euch als Kinder verwehrt hatte. Jeden Krümel, den man abends aufsaugt, erinnert an die Enkel, äh, natürlich an die Fütterung der wilden Löwen und Leoparden. Und die Fingerabdrücke, äh die Pfotenabdrücke der ungestümen Zootiere auf den Fensterscheiben, zaubern einfach nur ein Schmunzeln ins Gesicht.

Die Tatzen lasse ich als Andenken stehen. Wegputzen werde ich sie erst kurz vor dem nächsten Besuch, damit die kleinen Zwerge neue anbringen können!

 

Gabi Doggweiler