Zeit

 

 

 

Jeder wünscht sich mehr Zeit. Warum hat man stets das Gefühl, hinter der Zeit herzurennen?

 

Eine bekannte Uhrenmarke wirbt mit dem Slogan «Zeitgeber». Von wegen Zeitgeber, ich denke, eine Uhr ist und bliebt ein Zeitmesser – eher noch ein Zeitfresser. Frisst die Uhr die Zeit weg wie die Waschmaschine die Socken?

 

Ist Ihnen auch schon aufgefallen, wie viele Redewendungen es zum Begriff Zeit gibt?

 

Jeder hat schon Zeit verloren, will sie nun wieder gewinnen oder gar stehlen. Einige wollen aussteigen und eine Zeit lang nichts tun oder sich Zeit lassen oder haben Mühe, die Zeit totzuschlagen. Wieder andere hoffen, dass die Zeit für sie arbeitet, kommt Zeit, kommt Rat oder, dass die Zeit alle Wunden heilt. Andere befürchten, dass die Zeit nun gekommen ist und sie ihrerseits bald das Zeitliche segnen werden. Ihre Zeit läuft ab. Die Zeit ist begrenzt.

 

Man klagt, dass es vor Zeiten schon bessere Zeiten gegeben habe, dass das noch Zeiten gewesen seien oder erklärt es mit der Floskel andere Zeiten, andere Sitten.

 

Oder ein weiterer Spruch: Zeit ist Geld. Dieser muss wohl in den Ohren von Arbeitslosen besonders zynisch tönen. Haben sie doch vom ersten zu viel und vom zweiten zu wenig. Einige warten, alles zu seiner Zeit, alles zur rechten Zeit, schliesslich ist es jetzt doch an der Zeit, nein sogar höchste Zeit! Man schwört sich Liebe für alle Zeiten, auch wenn sie mit der Zeit realisieren, dass es doch nur auf Zeit war.

 

Zeit kann man nicht sparen. Die Zeit läuft, mal schneller, mal langsamer; denkt man oder glaubt es sogar. Tut sie aber nicht. Jede Zeiteinheit ist genau definiert. Wir empfinden es nur nicht gleich. Die Uhr misst die Zeit und hält sie uns unbarmherzig vor. Zeit ist in unserer Empfindung also relativ. Es ist eine Empfindung genau in dem Moment, wo wir etwas tun und hoffen, es möge nie vorüber gehen oder umgekehrt, wäre es doch schon vorbei! Das sind Wünsche, die die Zukunft betreffen. Wir leben aber im Jetzt, warum wollen wir es stets verändern?

 

Kinder leben im Jetzt. Wenn sie Hunger haben, schreien sie. Wenn sie die Hosen voll haben, schreien sie. Wenn sie auf die Nase gefallen sind, schreien sie. Gleichzeitig sind sie die zufriedensten Menschen, wenn sie sich im Spiel verlieren. Stundenlang lassen sie Murmeln eine Bahn runter sausen oder stampfen im Schlamm und beobachten wie der Matsch zwischen ihren Zehen nach oben flutscht. Die Kinder vergessen sich im Augenblick, sie vergessen die Zeit!

 

Und, welche Erkenntnis ziehen wir daraus? Kinder kennen die Uhrzeit nicht!

 

Also doch, die Uhren sind schuld!

 

Gabi Doggweiler